„Job plus Wohnung“ als neuen Trend in der Wohnungskrise nutzen
Erste Arbeitgeber gehen beim „Kampf um die besten Köpfe“ einen neuen Weg: Sie bieten ihren Mitarbeitern eine Wohnung zum Job. „Hier entwickelt sich ein neuer Trend. Die Wirtschaft reagiert auf die Wohnungskrise und setzt auf mehr Unternehmensattraktivität durch Wohnungsbau“, sagt Arnt von Bodelschwingh. Der Leiter des Berliner Forschungsinstituts RegioKontext hat das „Comeback der alten Werkswohnung“ untersucht. Der Wissenschaftler hat dazu „Pioniere unter den Arbeitgebern“ befragt – vom Handwerk bis zu Großkonzernen.
Die Studie „Wirtschaft macht Wohnen“ sieht im Bau von Mitarbeiter-Wohnungen eine Chance für angespannte Wohnungsmärkte. „Gerade in Großstädten und prosperierenden Ballungsräumen, in denen bezahlbare Wohnungen zur Mangelware geworden sind, können Arbeitgeber punkten, wenn sie auf Wohnungsbau setzen“, so von Bodelschwingh. Die Studie rechnet vor, dass bei Mitarbeiter-Wohnungen bezahlbare Mieten machbar sind. Insbesondere dann, wenn Unternehmen eigenen Baugrund nutzten und der Staat spezifische Rahmenbedingungen für den Mitarbeiter- Wohnungsbau schaffe.
Nur so könne es gelingen, private und öffentliche Arbeitgeber zum Mitarbeiter- Wohnungsbau zu motivieren. „Kommt es hier zu einer Wiederbelebung des Engagements, das Unternehmen früher einmal hatten, dann kann dies ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Wohnungskrise werden. Entscheidend ist, dass Unternehmen zusätzlichen Wohnraum schaffen. Reine Lohnzulagen machen zwar die Situation für den einzelnen Mitarbeiter erträglicher. Sie schaffen aber keine neuen Wohnungen“, sagt Arnt von Bodelschwingh.
Dieses Ergebnis der Studie nehmen der Deutsche Mieterbund (DMB) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) zum Anlass für einen Arbeitgeber- Appell. Gemeinsam mit Verbänden der Bau- und Immobilienbranche fordern sie einen „Bau-Neustart von Mitarbeiter-Wohnungen“. Hinter dieser Forderung stehen neben dem Deutschen Mieterbund und der IG BAU auch der Bundesverband Deutscher Wohnungsund Immobilienunternehmen (GdW), der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM). Gemeinsam haben sie als Bündnis die Studie „Wirtschaft macht Wohnen“ in Auftrag gegeben.
Potenzial beim Bau von Mitarbeiter-Wohnungen sehen die Initiatoren der Studie im Gesundheitssektor. Kliniken seien große Arbeitgeber. Ebenso wie bundes- und landeseigene Unternehmen. Neben der privaten Wirtschaft seien aber auch kommunale Betriebe gefordert – wie beispielsweise Stadtwerke. Insbesondere müssten sich zudem Bahn und Post wieder engagieren, fordert das Bündnis. Als Staatsunternehmen hatten Bahn und Post, so die Studie, einen erheblichen Anteil daran, dass es Ende der 70er- Jahre in der alten Bundesrepublik rund 450.000 bezahlbare Werkswohnungen gab.
„Diese alten Werkswohnungen gibt es heute allerdings so gut wie gar nicht mehr. Sie wurden in den letzten Jahrzehnten verkauft – und zwar vielfach an heute börsenorientierte Wohnungsunternehmen“, erläutert RegioKontext-Studienleiter Arnt von Bodelschwingh. Dabei sei der Wohnungsneubau ein drängendes Problem: In den kommenden Jahren müssten bundesweit 400.000 Wohnungen neu gebaut werden – pro Jahr. Davon mindestens 60.000 Wohnungen für Haushalte mit mittleren und 80.000 Wohnungen für Haushalte mit unteren Einkommen. Ein Revival des Mitarbeiter- Wohnungsbaus könne dies unterstützen.
Um das zu erreichen, sind jedoch passende Rahmenbedingungen notwendig, so die Initiatoren der Studie. Dazu gehöre, dass Arbeitgeber die Möglichkeit hätten, ihren Mitarbeitern Wohnungen verbilligt zu überlassen – ohne dabei für den geldwerten Vorteil Steuern und Sozialabgaben zahlen zu müssen. Zudem sei es notwendig, Hürden im Baurecht zu beseitigen, wenn Unternehmen auf eigenen Grundstücken Mitarbeiter-Wohnungen bauen wollten. Darüber hinaus müssten Arbeitgeber von der Förderung für den sozialen Wohnungsbau profitieren können. Auch eine Sonder- Abschreibung für Wohnungen mit Sozialbindung – etwa durch die Wiedereinführung des Paragraphen 7k im Einkommenssteuergesetz – würde sich effektiv auf den Bau von Mitarbeiter-Wohnungen auswirken.
Die Studie, so Arnt von Bodelschwingh, macht deutlich, dass der Staat hier eine aufkommende Initiative der Wirtschaft relativ rasch und wirkungsvoll für seine wohnungsbaupolitischen Aufgaben nutzen könne. Und die Praxis zeige: „Anders als bei den traditionellen Werkswohnungen setzen die ersten Arbeitgeber, die sich heute wieder auf das für sie in der Regel unbekannte Terrain des Mitarbeiter-Wohnungsbaus wagen, häufig auf die Kooperation mit externen Partnern der Bau- und Immobilienbranche. Sie wollen so den Aufwand und vor allem auch das Risiko kalkulierbar halten“, berichtet RegioKontext-Studienleiter von Bodelschwingh.